Chatroulette – die Online-Freakshow

Chatroulette

Chatten ist im Netz nichts Neues. Chatten mit willkürlich ausgewählten Personen über Webcam jedoch schon. Beim Chatroulette werden sich fremde Menschen nach einem Zufallsprinzip online via Webcam miteinander verbunden. Alles live – alles in Bild und Ton – alles in einer Endlosschleife. Ständig neue Gesichter und Bilder – und oft auch ziemlich merk- und denkwürdige Gestalten.

Auswirkungen eines unkontrollierten Zufallsprinzips

Ob man 10, 15 oder 48 Jahre alt ist, spielt bei Chatroulette keine Rolle. Wichtig ist nur, dass man eine funktionierende Webcam besitzt. Die einzige Bedingung poppt gleich nach dem Betreten der Seite auf – „In order to play the game, you must enable your camera“ heißt es da.
Alles andere scheint egal zu sein. Ob ich im Latexanzug, nackt, völlig „normal“, oder im Jogginganzug vor der Kamera sitze, interessiert hier niemanden. Ganz im Gegenteil: Mit Chatroulette entwickelte sich sogar eine Art voyeuristischer Wahn, dem inzwischen schon durchschnittlich 20.000 User unterliegen. Gaffen und begafft werden.

e-Nettiquette – weit gefehlt

Nicht selten hat man  bei Chatroulette plötzlich nackte Personen vor der Linse – Personen, die sich vor laufender Kamera und jedem zugänglich selbstbefriedigen. Ebenso wie einen Haufen Teenager aus aller Welt, die „einfach nur mal gucken wollen“. Von „Freak- und Penisparaden“ (http://www.sueddeutsche.de/digital/chatroulette-die-zaehmung-der-freakshow-1.976076) ist sogar in der Süddeutschen die Rede.

Die Freakshow in Zahlen

Im letzten März veröffentlichten die Online-Analysten von RJMetrics User-Auswertungen der Plattform Chatroulette. Die Zahlen beruhigten nicht wirklich: 89 % der Chatroulette User sind männlich, was soweit noch nicht wirklich beunruhigend ist. Jedoch: 13% der User sind nur auf dieser Plattform, um ihre Genitalien zu präsentieren. Das sollte allmählich zu denken geben.

Rettung „Beschwerdeknopf“ ?

Für Andrey Ternovskiy, Erfinder von Chatroulette, wird das inzwischen zum Problem. Seine Seite hat im Mai bereits die ersten User-Rückgänge verzeichnet. Nicht gut für ihn, da er gerade zu dieser Zeit auf Investorensuche in den USA war und noch ist. Und so stellt auch er sich gegen die teilweise nicht jugendfreien Inhalte seiner Webseite und sagt in der NewYorkTimes „Ich mag das nicht, weil ich eine saubere Seite haben möchte.“. Aber eine wirkliche Lösung für Chatroulette hat er bislang auch nicht.

Zwar gibt es inzwischen einen „Beschwerdeknopf“ für „unangebrachte Inhalte“ – wird dieser von drei Usern hinsichtlich eines bestimmten Users geklickt, wird dieser für 40 Minuten bei Chatroulette geblockt. Soll das verhindern, dass 8-jährige auf 40-jährige Männer mit heruntergelassenen Hosen treffen? Wohl kaum.

Laut Ternovskiy sei für die Zukunft auch eine Geschlechtsteilerkennung geplant, die User mit solchen Videoinhalten sofort sperren würden.
„Schön“, und vor allem an der Zeit wäre es endlich.

Wer sich mal anschauen möchte, was bei Chatroulette so los ist und auf welche „Gestalten“ man so trifft, bekommt über dieses Video sicher einen guten Eindruck.
Und wer sich dazu noch ein paar Zufallsbilder bei Google anschauen und selbst bewerten möchte, kann das hier tun.

Weiterführende Links

 Bildquelle: aboutpixel.de / Casino Royale © Nicolas Hölscher

Wer schreibt hier? Jasmina

Hi! Ich bin Jasmina, die Autorin von onlinelupe.de. Seit 2010 schreibe ich hier über digitales Arbeiten und Selbständigkeit im Internet.

15 Kommentare

  1. Aloha,

    viel schlimmer ist doch: Du wählst deine Kleidung zwischen einem Latex-Anzug oder einem Jogging-Outfit? Autsch :P

    Aber mal ernsthaft… auf die Seite geht man entweder weil man nichts zu tun hat oder weil man bewusst Geschlechtsteile sehen möchte, denn das diese dort vornehmlich live zur Schau gestellt werden, das muss nn wahrlich jeder wissen bevor er diese Adresse in den Browser eingibt.

    Ich persönlich finde die Seite übrigens grässlich.
    (Und wer zur Fleischbeschau dort hin geht muss wahrlich einen an der Waffel haben. Aber nun ja, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Bah.)

    Cheers, Andi

  2. Verdammt, verraten ! :D ..mein Zweitname ist Baroness Mercedes – so, nun weißt du es ! :)

    Spaß beiseite.
    Ich habe mich mit der Meckerei im Artikel echt noch zurückgehalten. Ich kann aber nicht verstehen, dass überall um jeden Pieps gemeckert und gesetzlich reguliert wird – wenn es aber um pornographische Inhalte geht, genügen Fragen wie „Bist du schon über 18?“ oder eben gar nichts – wie bei Chatroulette.

    Ich glaube, die eine Hälfte ist sich der Fleischschau bewusst – die Anderen (vornehmlich Teenies) schauen es sich zum Spaß an und treffen dann auf (vorrangig) Typen ohne Hose.

    Ich verstehe es nicht – würde das „offline“ passieren, wären die Ordnungshüter längst vor Ort. Aber online gehts halt….

  3. Okay, in den USA magst du damit eindeutig recht haben. In Deutschland macht man es aber Betreibern von Speckseiten alles andere als einfach. Da könnte man wirklich schon von Schikane sprechen. Klar, die Kids sollen das nun mal nicht sehen, dennoch ist es doch irgendwie echt lächerlich, wenn du um 17 Uhr Pro7 an machst und dir die Silikontüten von irgendeiner Mitte-40er ansehen kannst, im Netz aber schon vom Jugendschutz einen auf den Deckel bekommst, weil du Oben-ohne-Bilder als Aufmacherbilder in Blogs verwendest. (Mal ganz trocken gesagt: was bekommt man einfacher zu sehen… TV oder Netzinhalte?)

    Aber da genauer drüber zu unterhalten machen wir lieber an anderer Stelle … kann dir da gerne noch ein paar Stories erzählen.

    Liebe Grüße,
    Andi

  4. Klar, damit gebe ich Dir auch vollkommen Recht. Ich finde nur, dass man das Netz noch viel eher beeinflussen kann, als das was im TV so gezeigt wird. Die „Angebot“ im Netz ist größer als im TV und kann „ich“ den vermeintlichen „Bedarf“ nicht mehr zu mir „locken“, bin ich schneller platt als jeder TV-Sender.

    Noch hinzu kommt, dass man als Elternteil eher noch die Möglichkeit hat, zu beeinflussen was die Kinder im TV schauen als das, was sie im Netz so anklicken.

    LG zurück erstmal :)
    Jasmina

  5. Hmm, also das mit der Beeinflussung sehe ich etwas anders. Es sei jetzt mal dahingestellt inwiefern die Filter an 100% Sicherheit heran kommen, dennoch würde ich mein Kind / Kinder niemals ohne Filter und auch Schutzsoftware bzgl. Spielen an den Rechner lassen. Heute müssen sie definitiv an den Rechner und das man nicht permanent daneben sitzen kann und meines Erachtens nach auch nicht zu vollen Zeit sollte, dennoch gibt es Wege sie zumindest weitestgehend vom täglichen Scum fern zu halten. Zumal wir ja sicher beide wissen wie spannend es sein kann nach neuen Dingen zu suchen, die einen vllt. Freunde erzählt haben usw.

    Nicht alles sollte man selbst erforschen können, wonach einem gerade der Stirnlappen funkt. Zumindest nicht in jedem Alter. Da sind wir wieder bei den Sperren, nur die Frage ist halt wie. Und da wird’s eben schwierig. (Wenn ich mir mal so ansehe was mein kleiner Cousin alles für einen Dreck auf seinem iPhone hat … oder gar zuvor noch auf seinem anderen Handy, das er in der Grundschule benutzte… der neue Drehpunkt für Blut, Gewalt, Drogen und Sexualität in jeder Form sind definitiv auch die Schulhöfe und Klassenzimmer. Doch eine Lösung ist es keinesfalls ihnen die Mobil-Geräte zu verbieten.)

    Liebe Grüße,
    Andi

  6. Ich bin der Ansicht, dass Eltern ihre Kids vernünftig erziehen und aufklären müssen. Außerdem finde ich es beängstigend, wie verklemmt manche Eltern reagieren, wenn die Kids nach sexuellen Dingen fragen. Sohnemann kommt nach den Ferien in die 4. Klasse und ist rundum aufgeklärt. Vor wenigen Tagen erst fragte er, was Verhütung ist. Und wir haben es ihm offen erklärt. Wie Sex geht, weiß er ja schon. Da gibts keine Peinlichkeiten. Natürlich will ich nicht, dass er in seinem Alter schon Pornos guckt und ein Handy geschweige denn ein Smartphone besitzt er nicht – und das wird noch dauern.

    Ich möchte, dass mein Kind mit allem zu mir kommen kann. Und ich reagiere unaufgeregt, wenn er mir etwas gesteht. Ich vermittle ihm aber meine Gefühle, wenn er was „verbockt“ hat. Aber seine Geständnisse sind bisher Nichtigkeiten. :D

    Außerdem vermittle ich meinem Sohn so gut ich es vermag Medienkompetenz. Dazu gehört auch, ihm als Mutter oder Vater frei zu sagen, welche unangenehmen Seiten und welch gefährliche Menschen im Netz zu finden sind.

    Künstliche Aufgeregtheit wegen Pornografie ist häufig übertrieben. Die Gewalt finde ich beängstigender, die teilweise schon auf Grundschulhöfen herrscht.

  7. Sehr schöner Artikel. Ich muss gestehen das ich auch öfters mal auf Chatroulette vorbeigeschaut habe und mich nach einer Minute immer wieder fragte wieso ich mir das antuhe. Fakt ist das ich das niemals alleine getan habe, sondern immer nur aus Spaß mit Freunden. Dieses Typische „mal gucken“ wie du so schön schreibst.

    Furchtbar einfach nur, was aus dieser Welt geworden ist, das die Menschen nun auch noch ihre Intimbereiche im Internet herumzeigen müssen. Schlimmer finde ich jedoch, das diese auch noch genau wissen das Kinder zu schauen können. Man sollte diese Leute nicht nur von Chatroulette bannen, sondern auch wegen Sexueller Belästigung anzeigen.

  8. Hi Jasmina,

    über dieses Chatroulette wurde schon mal vor ein paar Wochen im Fernsehen berichtet. Ich denke grade das ist doch der Reiz an der Sache für die Kids: Der voyeuristische Aspekt. Denn seien wir doch mal ehrlich: Wenn ich Chateinladeungen über den Messi bekomme, wo man mir Fotos mit „Sexy underwear“ zuschicken möchte, landen Sie im großen Rundordner. Und selbst normale Chateinladungen nehme ich nicht an, wenn die andere Partei keinen Aussagekräftigen Blog hat. Und bei dieser Pornoshow mit Fremden mache ich freiwillig mit? Da muss man schon unterstellen, dass die Kiddies wissen was da auf Sie zukommt.
    Andi hatte das Fersehen angesprochen hat. Dass sich schon niemand mehr aufregt, wenn in einer Nachmittags-Talkshow unverhüllte „Silikonhupen“ gezeigt werden, spricht auch dafür, dass sich die moralische Grenze der Gesellschaft im Vergleich zu den ’sauberen‘ 60er Jahren, als es nur öffentlich rechtliche gab stark nach unten verschoben hat. Dass die Berichterstattung teilweise an Freakshoes erinnert, naja.. Ich sehe die große Gefahr eher in der Interaktion. Beim Fernsehen bekommt man einfach nur die Bilder präsentiert, kann aber nicht direkt mit den Probanten interagieren.
    Hier sehe ich beim Chatroulette die große Gefahr. Ein ‚abgewichster‘ (im wahrsten Sinne des Wortes) Sexual Straftäter könnte einem labilen und vertrauensseligem Kind an der Webcam zu sexuellen Handlungen überreden – eventuell den Videostream screengrabben und es damit erpressen oder ins Internet stellen – und/oder Adresse und Namen entlocken, um sich ihm persönlich zu nähern. Ich sehe in dieser Seite eine echte Gefahr mit starkem kriminellem Potenzial..

  9. Siehste, und selbst bei meinem T-Home-Receiver muss ich eine PIN eingeben, nur um auf History-Channel mir Dokus ansehen zu können. Übrigens auf die Frage hin was das denn solle und auch mit der umständlichen Freischaltung (sie haben es gebacken bekommen ein Datenbank-Problem online herzustellen, sodass ich mich nur via Post-ID ausweisen kann), meinte ich, dass ich ja wohl ziemlich sicher über 18 Jahre alt bin. Zum einen weil ich mein Geburtsdatum vor wenigen Sekunden noch am Telefon sagen musste, zum anderen weil ich sonst keinen eigenen Anschluss hätte und oben drein höre ich mich sicher nicht wie 18, nicht wie zwanzig und sicher auch nicht wie 22 etc. an. Aber naja, hauptsache alles schön kompliziert machen. Womit wir wieder beim Thema wären.

    PS: History-Channel mit PIN, Hustler (oh ja, Kamasutra…) mit PIN aber Das Vierte mit Softporno schön free. Als ob auf Hustler was anders laufen würde, ….. naja. ;)

    Cheers, Andi

  10. Nunja, wenn es aber „so ein Bomben-Ding“ wäre, hätten die Investoren Ternovskiy längst die Bude eingerannt.

    Ich denke, die unterschätzend die Negativ-PR auch nicht:

    http://www.basicthinking.de/blog/2010/07/27/spaeter-rettungsversuch-chatroulette-geht-gegen-exhibitionisten-vor/

    http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-07/studie-chatroulette-privatsphaere

    http://www.shortnews.de/id/841244/Kein-Chatroulette-mehr-fuer-das-iPhone-4-wegen-zu-viel-Sex

    10 Sekunden Suchaufwand und schon 4 Schlagzeilen Negativpresse.

    Vielleicht sollte Mister T. auf die PIs der 13% lieber pfeiffen?

  11. @Andilicious @Tina @Peter

    Medienkompetenz und offene Aufklärung finde ich als Stichworte sehr gut! (Auch wenn ich selbst damit als Nicht-Mutter keine Erfahrungen habe).

    Um nochmal speziell auf Chatroulette zurück zu kommen, verstehe ich nur eines nicht:Ternovskiy will eine „saubere Seite“, Teenies lässt sich der „Spaß“ nicht komplett verbieten und Eltern können nicht alles vollends kontrollieren. Warum also schafft man es dann nicht, die 13% der „Genitalpublisher“ viel offensiver zu verbannen ?

    Die Idee an sich finde ich nämlich ganz gut, nur was daraus geworden ist, ist Mist.

  12. Komm, wenn man wirklich eine White-Page haben möchte, die 13% weitestgehend aussperren möchte, gäbe es sicher Wege – doch auch die 13% sind einige PIs … mal so trocken gesagt.

    (Oh, auch Nicht-Mutti … wird ja immer besser, Frau Mercedes ;))

    Liebe Grüße, Andi

  13. Wohl wahr, die Frage ist dabei nur, was der Herr mit der Seite vor hat. Persönliche würde ich behaupten, dass ein Umstieg in ein ‚richtiges Konzept‘, sprich zu einer ‚echten Seite‘ schon viel zu spät ist. Wofür er die Investoren schließlich nötig hätte. Ich kann mir jedoch natürlich auch vorstellen, dass sich viele gute Werbekunden an diesem Projekt nicht die Finger verbrennen möchten. Gerade weil’s eben Speck zu sehen gibt, fallen so einige Anbieter und Marken für Direktwerbung direkt unter den Tisch. Doch so richtig ernst kann’s ihm wohl eben nicht sein, würde er sonst wohl sicher ein paar weitere Schritte in Sachen der Absicherung unternehmen.

    Für mich bleibt das ziemlich undurchsichtig, mus allerdings auch zugeben, dass ich böse darum wäre, wenn das Projekt so schnell wieder verschwindet, wie es das Web mit seinem Dreck überflutete. Allerdings habe ich auf einer Projektseite dem Teil auch einige Euro zu verdanken. Von daher. Eins wird mindestens in den Köpfen bleiben… die coole Idee dahinter.

    Cheers, Andi

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