Ein Kinderspiel? Wie Kinder dem Internet begegnen

Sie sind „mobil, vernetzt, chronisch ungeduldig und verwöhnt von der Überfülle der Reize im Internet.“ (Manfred Dworschak, spiegel.de). Die Rede ist hier von der „Generation @„, der „Generation Facebook“ oder auch der „Generation Null Blog“ oder den „Digital Natives“ – oder kurz den Kindern, die mit dem Internet und dessen Vorzügen aufwachsen.  In Abgrenzung dazu spricht man auch von den „Digital Immigrants„, jenen Generationen, die nicht mit dem Netz aufgewachsen sind und nach Theorie, mit dessen Umgang ein wenig schwerer tun.

Bis vor einer Weile ging man davon aus, dass die „Digital Natives“ ganz neue Türen insbesondere für Online-Marketer öffnen würden. Dienstleistungen und Produkte wären in der Regel nicht derartig erklärungsbedürftig, der Umgang mit Online-Medien würde sich weniger auf dessen Handhabung, sondern vielmehr auf deren Inhalte konzentrieren. Nun erschienen einige neue Studien über das Verhalten der Kinder im Netz und erklären obige Thesen eventuell sogar für einen großen Flop.

Internetnutzung bei Kindern steigt rasant

Die Kids Verbaucher Analyse 2010 bestätigte zwar „Ja, das Netz ist für Kinder eine alltägliche Sache, die auch gern und häufig genutzt wird.“, aber die bisherigen „Begeisterungsschübe“, wie bspw. zu den Themen Twitter und Facebook bleiben aus. Untersucht wurde die Mediennutzung von Kindern zwischen 6 und 13 Jahren. Bei den 10 bis 13-jährigen stellte man fest, dass satte 91% Zugriff auf einen Computer haben und gar 87% auch das Internet nutzen – wobei 36% täglich online sind. Zum Vergleich: im Jahr 2006 hielt sich diese Zahl noch bei 69%. Bei den 6- bis 9-jährigen verdoppelte sich die Nutzung. Waren im Jahr 2006 nur 22% dieser Altersklasse online, sind es nun bereits 46%.

„Alles lässig“ – Wie Kinder dem Netz begegnen

Im Gegensatz zu den vorangehenden Generationen begegnen Kinder dem Internet mit einer lässigen Unaufgeregtheit. Chat, Facebook oder Online-Radio? Läuft alles nebenher. Und weil sie damit aufwachsen, ist scheinbar alles auch nur halb so spannend. Ganz im Gegenteil zu den „Digital Immigrants“. Online-Medien erhalten von Kindern deutlich weniger Aufmerksamkeit – während des Chats läuft der online Radio-Stream und neue Twitter- oder Google-Features interessieren die Kinder praktisch gar nicht. Ganz nach dem Motto: „Schön, dass es da ist, aber wichtig ist es nicht“. Letztlich erklären sich so aber auch die steigenden Zahlen der Internetnutzung durch Kinder. Online-Features werden immer stärker in den Alltag der Kinder integriert – sei es bei den Hausaufgaben oder im Freizeit-Bereich, das Internet ist da, erhält aber selten volle und große Aufmerksamkeit.

Eine Studie des Hans Bredow Instituts sagt sogar aus, dass das Internet junge Menschen kaum noch prägt und die Masse der Kinder einen größeren Wert auf Vereine, Freizeitvertreib mit Freunden und Hobbies legen, als auf Facebook-Statusaustausch o.ä..

Während die „Digital Immigrants“ die Möglichkeiten des Internets entdecken und erforschen, sind Kinder auch an Blogs ziemlich uninteressiert. Lediglich 3% der jungen Leute sind in Blogs aktiv und schreiben über Hobbies oder Erfahrungen. Man muss sich aber auch hier die Frage stellen, ob das Alter zwischen 6 und 13 Jahren nicht ein wenig früh kalkuliert ist, um zu erwarten, dass sich hier bereits eine neue aufstrebsame „Generation Blog“ bildet.

Netz, ja – Informationskompetenz, nein

Weiterhin wird oft darüber diskutiert, dass die Informations- und Medienkompetenz der jungen Generationen abnimmt. So klagt beispielsweise ein Schuldirektor im Spiegel: „Und weil die Schüler im Grunde unbedarft sind, neigen sie umso mehr zur Selbstüberschätzung. „Sie halten sich für die wahren Experten“ […] „aber wenn’s drauf ankommt, können sie nicht einmal richtig googeln.““ (Quelle: spiegel.de) Deswegen landete bei diesem Schuldirektor „Google“ auf dem Lehrplan und die Schüler fanden das eher zum Belächeln: „“Google?“, hieß es da, „können wir doch, machen wir doch andauernd, jetzt will uns der Herr Scheppler Google erklären!““. (Quelle: spiegel.de)

Das Ergebnis: Die gestellte Aufgabe konnte kaum ein Schüler wirklich lösen und nun amüsierte sich der Lehrer: „“Die kloppen bei Google ein Suchwort nach dem anderen einzeln rein, und dann geht es zappzappzapp: weg damit, taugt nichts, nächster Versuch“ […] „Sie sind blitzschnell im Verwerfen, manchmal auch guter Funde. Sie meinen sortieren zu können, nudeln aber einfach nur alles durch – sehr schnell, sehr hektisch, sehr oberflächlich. Und beim ersten Treffer, der ihnen halbwegs passabel erscheint, hören sie sofort auf.““ (Quelle: spiegel.de) „Google“ auf dem Stundeplan war also die vollkommen richtige Idee zur Vermittlung grundlegender Informationskompetenzen.

Digital Natives, Digital Immigrants und die Online-Marketer

Es schein beinah so, als ob die große Hoffnung neuer und größerer Erträge durch die „Digital Natives“ gar nicht so toll und schön werden, wie sich das so mancher Online-Marketer dachte. Auch die Forscher des Hans Bredow Instituts schlussfolgern, dass die Mediennutzung unter den Kindern letztlich nuur wächst, da damit Dinge möglich sind, die es vorher schlichtweg nicht gab – Stichwort: Freundschaftspflege via Web.

Kinder sind in der Regel nicht an Werbung, Brands oder kostenpflichtigen Online-Inhalten interessiert, umso schwieriger wird es für jene Marken, sich genau dort unter den Kids zu positionieren. „Wenn eine Marke in diesem persönlichen Nachrichtenstrom auftreten will, muss sie selbst mit der Zielgruppe kommunizieren und den Leuten etwas geben, was für sie Wert hat und was sie auch innerhalb ihres Freundeskreises weitergeben wollen. Das kann lustig sein, das können Spiele sein oder Informationen, aber auf keinen Fall platte Werbung.“ (Homeyer, IWB S.2). Oder man versucht es als Unternehmen eben über die Eltern jener Kinder – wie es beispielsweise auch scoyo.de macht.

Fazit

Studien hin oder her – untersucht wurden in benannten Forschungsreihen vornehmlich Kinder zwischen 6 und 13 Jahren – dass Kinder mit dem Internet aufwachsen und damit in jedem Fall anders umgehen, ist eigentlich kein Absurdum – Dass Informations- und Medienkompetenzen von Eltern und Schulen vermittelt werden müssen, auch nicht. Wahrscheinlich werden weder die großen Erwartungen der Marketer von jungen Menschen erfüllt, noch sollten die Ergebnisse jener Studien überbewertet werden. Selbst Ergebnisse zur regelmäßigen Internetnutzung junger Menschen sind sichtlich unterschiedlich zu interpretieren und können soweit auch keine allgemeingültigen Handlungsempfehlungen zulassen. Im Gegenteil: Eine Portion der „Unaufgeregtheit der Jungen“ ist hier wohl platziert.

Wer schreibt hier? Jasmina

Hi! Ich bin Jasmina, die Autorin von onlinelupe.de. Seit 2010 schreibe ich hier über digitales Arbeiten und Selbständigkeit im Internet.

5 Kommentare

  1. Da haste ja wieder einen schönen Artikel gezaubert ;) Kinder kommen schon frühzeitig mit dem Internet in Berührung kommen, dies wird sich nicht verhindern lassen und ist aus meiner Sicht auch nicht schlimm. Viel wichtiger wird es sein, den Kindern die notwendigen Kompetenzen für den sinnvollen und sicheren Umgang mit dem Medium Internet zu vermitteln. Dazu gehört das Beispiel aus deinem Beitrag mit, dass Kinder und Jugendliche oft „nicht einmal richtig googeln“ können. Besonders im Bereich der Werbung müssen sie lernen, die aufgenommenen Informationen zu hinterfragen und nicht einfach als wahr und gegeben hinzunehmen. In der Schule sollte es auch langsam ein Curriculum geben, was auf die technische Entwicklung in der Gesellschaft reagiert. Es wird schon von mehreren Seiten (Wissenschaft und Wirtschaft) eine Art „Medienkunde“ gefordert. Ein anderer Punkt ist der Umgang mit den eigenen Daten. Dazu gehört auch das Thema der online Reputation, da kann man sich je bekanntlich viel kaputt machen. Dies sollte auch mit auf den Weg gegeben werden. Ob die „Netzgeneration“ wirklich so schlimm ist, wie immer viele Behaupten, muss wohl noch weiter beobachtet werden. Wie Kinder auf Werbung im Verlauf ihrer Sozialisation reagieren oder diese wahrnehmen, ist ja ein Kapitel für sich. Werbung und Kinder im Internet sind eine nicht gerade unkomplizierte Kombination in dieser Hinsicht. Es ist schon ein spannendes und wichtiges Thema ;)

  2. Hi Torsten,

    yep, finde ich auch ! :) Obwohl ich da in meinen Aussagen versuche relativ vorsichtig zu sein, da ich selbst keine Kinder habe und mir gut vorstellen kann, dass in der Theorie einiges einfacher klingt, als es schließlich in der Praxis ist.
    So ein ähnliches Thema hatten wir ja schon mal bei dem Artikel über Chatroulette.

    Aber interessant ist es schon, wie sich Kinder dem Netz und das Netz den Kindern nähert.

    LG
    J.

  3. Kinder im Netz – da muss ich an das denken, was mein Freund, der an einer Schule Berufsbegleitung für Kinder durchführt, erlebt hat.
    Es gibt in der Schule 4 Apple Notebooks die sämtlich unter Verschluß sind (und deren Akkus defekt sind, weil Sie nie benutzt wurden), auf verbleibenden 2 Schulrechnern ist aus Geld-Ersparnis statt Microsoft Office das Open Office installiert (Aussage der Erzieher: Damit die Kinder mit Officeprogrammen umgehen können). Jetzt frag ich mal provokant: in welcher Firma wird den Open Office eingesetzt?
    Beide Rechner sind absolut virenverseucht, und deshalb kaum zu benutzen. Die Lehrer haben selber keine Ahnung von den Rechnern, bzw. kommen kaum über normales Userwissen hinaus. Das Angebot die Rechner mal zu überprüfen wurde mit bedenklichem Kopfwiegen abgelehnt. Da hätte man ja eine Entscheidung treffen müssen. Das ist überhaupt an der Schule (ich vermute an anderen ist es ähnlich) das Problem: Die Einstellung der Lehrer zum Job. Die ist nämlich: BLOSS NICHTS VERÄNDERN! DAS HABEN WIR IMMER SO GEMACHT.
    Unter diesen Umständen Kindern das Internet erklären zu wollen – das wird wohl nicht funktionieren.
    Und wie schon erwähnt. Das benutzen von google ist nicht das Problem – das hat man einem Kind in 10 Minuten erklärt – Das Problem ist die große Falle Internet, mit den Abzock-Fallen, Pädophilen und anderen Fallstricken, in die sich ein Kind schnell verstricken kann. Zu glauben, dass die Eltern dies den Kindern schon beibringen – nach meinen Erfahrungen haben auch gut 50% der Eltern vom Internet nur rudimentäre Kenntnisse.

    1. Hi Peter,

      ja, da muss ich Dir recht geben – sehr wahrscheinlich gibt es einen deutlichen Überschuss an Schulen, an denen die Zustände so sind, wie Du sie beschrieben hast. Das Problem wird somit nicht von jetzt auf gleich lösbar sein – auch was das elterliche Können betrifft – was will man jedoch tun ? Letztlich kann man einerseits nur auf motivierte und medienkompetente Lehrer und Eltern hoffen, die es in Zukunft (schon aufgrund der Altersstruktur?) vermehrt geben wird ?! Ich bin mir nicht sicher, ob das der richtige Ansatz ist – eine gesetzliche Regelung wird es jedenfalls erst recht nicht geben – und nur darauf hoffen, dass „die Jungen“ das schon irgendwie gebacken bekommen, funktioniert ja auch nicht….irgendwie verzwickt.

      Liebe Grüße
      J.

  4. Vollkommen richtig. Kinder wachsen heute ganz selbstverstänlich mit PC und Internet auf. Das ist eine Entwicklung, die man nicht verhindern, sondern eher fördern soll und auch muss. Medienkompetenz wird für die Berufstätigen von morgen noch wichtiger als heute sein. Daher sollten sich die Eltern wirklich gründlich mit dem Thema auseinander setzen und nicht die Arme verschließen.

    Eltern müssen ihren Kindern eben heute etwas beibringen, was ihnen nicht beigebracht wurde. Und genau das ist des Pudels Kern udn stellt Eltern vor ungeahnte „Probleme“. Man kann dabei natürlich nicht auf ein Wunder hoffen, aber zumindest vielleicht auf engagierte Lehrer und wissbegierige Eltern.

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